(90s US Indie / Grunge) Oberflächlich betrachtet ist der Versuchsaufbau denkbar simpel: Ein Schlagzeug, Gitarre und Bass. Begleitet von einer Stimme, die ihren Weg durch den erzeugten Sound bahnt, sein Surrounding kommentiert, reflektiert und dem ganzen eine Subjektivität gibt und Präsenz schafft — „we are here today, for all we’ve done“. That’s it, das ist Rockmusik in a nutshell.

Man muss das Rad ja auch nicht neu erfinden: Fuller legen mit ihrer ersten EP den Beweis vor, die dieses einfache Konzept par excellence verstanden haben und pointiert mit Leben zu füllen wissen. Keiner der fünf Songs überschreitet die Grenze von drei Minuten, an keiner Stelle nimmt man sich hier zu viel Raum. Punkig-fokussiert findet die Band in das, was sie rüberbringen möchte: Freude an dem, was nur im Safe Space eines langsam dahinschimmelnden Proberaums entstehen kann und immer mehr ist als seine einzelnen Teile — als die Heavyness, mit dem das treibend-rumpelnde Schlagzeug vorprescht, als der wummernd fuzzige Bass, der dem ganzen Struktur gibt, und schließlich auch die Gitarre, die sich mit ihrer melodiösen Verspieltheit anschickt, zum heimlichen Star dieses Ensembles zu werden, um sich — natürlich darum wissend — wieder zurücknimmt, um dem Gesamten Raum zu geben und die Musik atmen zu lassen. Da mag man an Bands wie Dinosaur Jr denken, Vorbilder wie Greg Sage heranzitieren oder sonstwie tentativ auf allerlei Referenzen verweisen, im Grunde braucht es das nicht, wenn bereits Paddy McAloon schon vor nun bereits über einem Vierteljahrhundert wusste: „Grander than castles, cathedrals or stars: Electric guitars!“

Der Opener „Mew“ gibt geradezu programmatisch die Lust an dem gewählten Ansatz vor, es sich nicht zu kompliziert zu machen und — „and it’s not much more to do“ — ein Loblied auf die einfachen Freuden zu singen, wenn hier Misosuppen geradezu glorifiziert werden. Es sind die einfachen Freuden, die es Fuller angetan haben. Florian Bauers (Heim, Somewhere Underwater) Gesang nölt sich hier herrlich felin in das, was dann schließlich doch dahin führt, wo es schwierig wird: Bei aller Einfachheit, bei aller Reduziertheit — man jagt dann schließlich doch etwas hinterher, das sich immer nur für einen Moment festhalten lässt. Der Verlust ist unausweichlich und auch das Versprechen, das Bedeutungsangebot, für das der Präsentismus des Rock steht, letztlich immer uneingelöst: „It had a silent meaning when I kneeled next to you while you passed away.“ Egal ob im Persönlichen, Besonderen oder Allgemeinen, Fuller wissen um die Nostalgie des gewählten Weges und eine schließlich auch melancholische Grundhaltung ist, bei aller Spielfreude, konstitutiv für das, was hier gemacht wird.

So ist dann auch in aller Konsequenz der Hit der EP zweifellos „The Nix“, der die Antwort gibt auf dieses fast schon dialektische Problem, dem sich Fuller selbstverschuldet zu stellen haben: Ohne romantische Verklärung taucht man hier auch in die depressiven Gefilde ab, die sich auftun, wenn man die (eigene) Vergangenheit beschwört, vertanen Chancen oder Verlusten nachtrauert. Dass aus Schmerz (große?) Kunst erwachsen kann, ist eine der Plattitüden, in denen Leute über so etwas sprechen, die hier nicht wiederholt werden soll, doch dass Rockmusik vielleicht auch einen Ausweg bietet zeigt der schönste Moment der Platte gegen Ende des Songs, wenn den Gesang die suspicion beschleicht, stuck zu sein: Aus dem Hintergrund pirscht sich eine gegenläufige Gitarrenmelodie heran, die in den schönsten performativen Widerspruch weist und der Gesangsmelodie einen counter point entgegenstellt, der aus diesem Nichts heraus weist.

That’s it, solche und weitere wunderbare Momente sind es, die sich den Hörer:innen der Fuller-EP offenbaren, wenn sie genau hinhören, das sind die Belohnungen, die sich auch in dieser Reduziertheit einen Weg bahnen. Das gehört — Plattitüde again: — zu den Geheimnissen von gut gemachten, sich nicht zu wichtig nehmenden Platten wie von Fullers Debüt-EP, ist aber auch Verdienst von Christian Bethge, mit dem zusammen die Band die Songs aufgenommen und produziert hat und der damit wieder einmal sein musik-inszenatorisches Feingefühl unter Beweis stellt.

Bands wie Fuller werden wahrscheinlich nie den „Center Court“ betreten, der dem letzten Song der EP den Titel gibt. Aber höchstwahrscheinlich wollen sie das auch gar nicht. Höchstwahrscheinlich sind sie fine damit, sich noch etwas länger diesem schönen Versuchsaufbau zu widmen.“

300 copies

FFO: Dinosaur Jr., Pabst – Built To Spill, Pavement